Für einen Feldweg in der Pampa legt Matthias Schwarzer auch mal hunderte Kilometer zurück: Zuerst auf Google Maps, dann leibhaftig mit dem Auto. Er recherchiert und besucht die Drehorte von Filmen und Serien und dokumentiert seine Reisen auf YouTube. Der YouTube-Kanal ist ein Hobby, hauptberuflich ist Matthias Journalist beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Im Interview erzählt er, wie er die Drehorte findet und warum ihn die Detektivarbeit glücklich macht.

Matthias, warum recherchierst du in deiner Freizeit Drehorte?
Die Grundidee ist ganz zufällig entstanden, nämlich während eines Urlaubs in Südschweden. Ganz in der Nähe lagen die Drehorte der Astrid-Lindgren-Filme – also bin ich hingefahren und habe ein Video drüber gemacht. Im zweiten Corona-Lockdown saß ich dann viel zuhause rum und hatte Langeweile. Man konnte auch nicht weit reisen. Da kam mir die Idee, aus dem Thema eine ganze Serie zu machen. An einem Wochenende bin ich nach Ostfriesland gefahren und habe mir die Drehorte des Otto-Films angeguckt. Auf YouTube wurden beide Videos häufig angeklickt und kommentiert. Das war mein Ansporn weiterzumachen.

Ich hätte nicht gedacht, dass man Drehorte einfach so finden kann.
Es ist nicht so kompliziert. In den meisten Fällen hat die Arbeit schon jemand anderes gemacht. Es gibt Fanblogs, Reddit-Foren und Facebook-Gruppen, in denen Drehorte veröffentlicht und diskutiert werden. Die Harry-Potter-Fan-Community kennt seit 20 Jahren jede Straße aus den Filmen. Tricky wird es bei neuen und eher unbekannten Produktionen.

Wie gehst du vor, wenn es mal schwieriger wird?
Die Romanverfilmung „Tschick“ ist ein gutes Beispiel. In dem Film fahren die Protagonisten mit einem Lada durch die Provinz. Oft stehen die Städte und Gemeinden in den Credits des Films, auf Wikipedia oder bei IMDb. In dem Fall habe ich in einem Blog gelesen, dass auch in der Ortschaft Kütten gedreht wurde. Sobald ich den Ort kenne, schaue ich mir die Szenen Frame für Frame an. In einer Szene laufen die Protagonisten aus dem Dorf raus. Auf einer Seite ist ein Baum, auf der anderen eine Scheune. Ich habe mir in der Satelliten-Ansicht auf Google Maps jeden Ortsausgang von Kütten angeschaut, bis ich die Ausfahrt gefunden habe.

Bei den Drehorten der Serie „Fleabag“ in London haben mir die Schilder von Geschäften geholfen. Manchmal sind die Aufnahmen verschwommen und man muss die Wörter erraten. Dann lassen sich die Adressen der Geschäfte googeln. Auch markante Bauwerke im Hintergrund sind gute Anhaltspunkte: In einer Szene von „Fleabag“ läuft die Protagonistin über einen Friedhof, im Hintergrund ist ein Gasometer zu sehen. Ich habe also nach Gasometern in London gesucht und geschaut, wo bei Google Maps ein Friedhof in der Nähe ist.

Findest du jeden Drehort?
Nein. Gerade bei „Fleabag“ habe ich händeringend versucht, einen der Hauptdrehorte zu finden: Das Haus des Vaters. Man sieht im Hintergrund ein Gebäude, es könnte ein Schloss oder eine Kirche sein. Ich habe mich dumm und dämlich gesucht und es einfach nicht gefunden. Was ich da mache, sind aber wirklich Spaß-Recherchen. Ich verzichte zum Beispiel darauf, die Produktionsfirmen anzuschreiben. Mich reizt die Detektivarbeit. In seltenen Fällen frage ich mich vor Ort durch, manchmal hilft mir auch meine Community weiter. Der „Fleabag“-Drehort ist aber bis heute ein Mysterium.

Nach der Online-Recherche fährst du stundenlang allein mit dem Auto herum. In manchen Videos von dir sehe ich schwere Wolken, nasse Feldwege. Was gefällt dir daran?
Ich bin grundsätzlich eher introvertiert und reise seit vielen Jahren allein. Bei solchen Ausflügen blühe ich auf, es ist ein toller Kontrast zu meinem Job, in dem man tagtäglich mit Menschen kommuniziert. Ich fahre durchs Nirgendwo, sehe Orte, die ich aus Filmen kenne. Vielleicht gerate ich in ein Gewitter. Für mich ist das tiefe Entspannung. Auch viele Zuschauerinnen und Zuschauer schreiben mir, dass sie meine Videos entschleunigend finden.
Es gefällt mir auch, vor Ort herumzunerden. Ich schaue mir an, was sich verändert hat und was für den Dreh verändert wurde. Und, ich weiß nicht, ob du das kennst: Du guckst eine Serie über viele, viele Staffeln, aber dann ist sie irgendwann vorbei, und du fällst in ein tiefes Loch…

Ja, kenn ich.
Ich möchte dann gern länger in der Welt der Menschen aus der Serie verharren. Wenn ich an die Drehorte fahre, kann ich das.

Dein YouTube-Kanal wurde mehr als 50.000 mal abonniert. Was gibt dir deine Community?
Die Leute schreiben mir Ideen für neue Videos in die Kommentarspalte. Einige nennen Orte vor ihrer Haustür, die eine spannende Geschichte haben. Ich habe eine ewige lange Liste auf dem iPhone. Daraus könnte ich für die nächsten zehn Jahre Videos machen.